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Fluchtursachen – Fluchtvermeidung: Was jeder gegen Tarifflucht tun kann

Neujahrsgespräch in Weilheim von KAB, Betriebsseelsorge und DGB-Gewerkschaften

Was vor 20 Jahren noch die Regel war, gilt heutzutage nur noch für knapp über die Hälfte der Beschäftigten: Bezahlung und Arbeitsbedingungen, die durch einen Tarifvertrag gesichert sind. Die sogenannte Tarifbindung ging in Deutschland insgesamt stark zurück. Bayern bildet mit 53 Prozent der Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis einem Tarifvertrag unterliegt, sogar das Schlusslicht der westdeutschen Bundesländer, wie ver.di- Gewerkschaftssekretär Stefan Milisterfer beim Neujahrsgespräch von KAB, Betriebsseelsorge und DGB-Gewerkschaften in Weilheim berichtete. Einzelne Branchen würden ganz besonders unter dieser Entwicklung leiden: So der Einzelhandel und das Gastgewerbe, wo die Tarifbindung in Bayern nur noch 28 bzw. 21 Prozent beträgt. Vor allem die unteren Lohngruppen bekämen die Auswirkungen fehlender Tarifbindung zu spüren, führte Milisterfer weiter aus.

Beim Neujahrsgespräch kamen wie immer auch Menschen aus Betrieben in der Region zu Wort. Durch ihre Beiträge wurde deutlich: Die Themen Tarifbindung und Tarifflucht betreffen auch den Landkreis Weilheim-Schongau. Roberto Hänsel, Betriebsratsvorsitzender im Krankenhaus Schongau, sprach über die neue Servicegesellschaft der Krankenhaus GmbH, gegen deren Gründung er sich leider vergebens eingesetzt hatte. Es stehe zu befürchten, dass nach den Reinigungskräften auch weitere Beschäftigte in den sogenannten patientenfernen Bereichen wie Küche oder Empfang zukünftig über die Tochtergesellschaft der landkreiseigenen Krankenhaus GmbH angestellt werden. Die tariflichen Bedingungen für neueingestelltes Personal, in der Regel Frauen, viele von ihnen alleinstehend, würden sich dadurch spürbar verschlechtern, so Hänsel.

Maximilian Höß, Betriebsrat bei Roche in Penzberg, und Daniela Fischer, erste Bevollmächtigte der IG Metall Weilheim, stellten dar, was Tarifverträge heute außer der Regelung des Einkommens noch alles beinhalten können. So gäbe es in beiden Branchen inzwischen Tarifverträge, die den Beschäftigten die Wahl zwischen mehr Geld oder auch mehr freier Zeit ließen. „Zeit ist heute den meisten wichtiger als Geld“, betonten beide übereinstimmend. Der Trend wird auch durch die IG Metall-Beschäftigten-Befragung vor einigen Jahren gestützt. Auch Tarifverträge zu Bildungsteilzeit oder Weiterqualifizierung würden die Bedürfnisse der Arbeitnehmer von heute ernst nehmen. Eines zeige sich, so Höß, dabei immer wieder: Nur, wo es Betriebsräte und Gewerkschaften gäbe, bleibe auch die Tarifbindung bestehen!

„Die Gewerkschaften müssen heute eine gesamtgesellschaftliche Perspektive aufzeigen“, nahm Helmut Dinter die Arbeitnehmerorganisationen in die Pflicht. Der Bürgermeister von Wessobrunn regte an, bei der Ausgestaltung von Tarifverträgen die Ziele der „Gemeinwohlökonomie“ einzubeziehen. Die GWÖ-Ziele wie zum Beispiel Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit böten eine wirkliche Alternative zum parteipolitischen Mainstream. Dinter ist sich sicher: „Man kann viel machen!“ In seiner Gemeinde geht er mit gutem Beispiel voran: Bereiche, die ausgegliedert waren, werden zurückgeholt. So werden Putzkräfte zukünftig wieder von der Kommune finanziert.

In der Diskussion mit den gut 50 Teilnehmern des Neujahrsgesprächs wurden auch Forderungen laut, um die Tarifbindung wieder mehr zu stärken. So sollten Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt und Tariftreue, beispielsweise durch Aufträge der öffentlichen Hand, belohnt werden.

KAB-Referentin Petra Reiter, die den Abend gekonnt moderierte, appellierte an die Verantwortung eines jeden Einzelnen, auch als Konsument tarifgebundene Unternehmen zu stützen.

(Andreas Kohl)

Foto: Manfred Unger

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