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Geschöpfe Gottes sind keine Verfügungsmasse

MEMMINGEN. Wie steht es eigentlich um die Arbeitsbedingungen von Paketdienstleistenden? Das diskutierten Teilnehmende einer Podiumsdiskussion des kda Bayern und der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung.

Wir begegnen ihnen täglich, ob an unserer Haustür oder auf der Straße: Paketdienste sind allgegenwärtig. Doch oftmals haben die Auslieferungsfahrer keine Zeit, um abzuwarten, ob die Tür geöffnet wird. „Auch Kunden haben die Möglichkeit, Einfluss auf die Paketbranche zu nehmen“, sagte der Sozialsekretär des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt Bayern (kda), Ulrich Gottwald. Man könne sich gut überlegen, wo man bestellt und müsse von dem Anspruch wegkommen, dass alles am gleichen Tag geliefert würde, sagte er. Er moderierte zusammen mit Myriam Gammer von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) die Podiumsdiskussion unter dem Titel „Ausbeutung frei Haus“.

Rede und Antwort auf dem Podium standen der Rechtsanwalt Marcus Allner vom Verein Christ und Jurist, Nadja Kluge von der Münchner Beratungsstelle Faire Mobilität, verdi-Bezirkssekretär Robin Faber und der stellvertretende Leiter des kda Bayern, Pfarrer Peter Lysy. Hintergrund der Veranstaltung waren Ansiedlungspläne des Unternehmens Amazon am Memminger Flughafen, die vor Ort auf erheblichen Widerstand gestoßen sind (wir berichteten: Bündnis gegen das System). Inzwischen hat das Unternehmen seine Pläne verworfen.

Das lokale Bündnis, das sich gegen eine Ansiedlung ausgesprochen hatte, hat dabei auch die prekären Arbeitsbedingungen der Fahrer wahrgenommen, die über Subunternehmer Pakete von Amazon ausfahren. Wie solche prekären Bedingungen entstehen, illustrierte eine Filmreportage über die Branche, die bei der Veranstaltung gezeigt und besprochen wurde. Deutlich wurde dabei etwa, dass Fahrer für bestimmte Aufgaben wie das Tanken des Fahrzeugs nicht entlohnt würden oder dass Pakete, auch außerhalb ihrer Arbeitszeit und in Pausenzeiten ausgefahren werden müssten. Touren seien oft nur zu schaffen, indem Verkehrsregeln missachtet würden.

Survival of the fittest
Dies verschärfe ein Algorithmus, der auf die Optimierung von Touren programmiert sei und von den Bewegungsdaten der Fahrer gefüttert würde. Schnelleres und effizienteres Arbeiten Einzelner führe daher zu einer zeitlichen Verdichtung der Arbeitsbedingungen für alle. Diese algorithmische Steuerung kritisierte Sozialpfarrer Lysy. Sie führe zu einer Überlastung der Fahrer mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen und letztlich zu einem „Survival of the fittest“ (dt: Überleben des Stärkeren). Diese an reiner Effizienz orientierten Arbeitsbedingungen, die Menschen einfach verbrauchen, entsprächen nicht einer christlichen Ethik. Menschen als Geschöpfe Gottes seien nicht Verfügungsmasse, Sklaven oder Gebrauchsgegenstände, sondern haben ein Recht auf gute Arbeit, so Lysy.

Rechtsanwalt Allner forderte, dass vom Gesetzgeber mehr für Paket-Fahrer:innen getan werden müsse. Zwar gebe es im Bereich der LKW-Fahrer:innen bereits gute Gesetze – diese griffen jedoch nicht bei Paketfahrern. Bei der Fleischverarbeitung habe sich auf viel Druck hin schon vieles zum Positiven verändert. Leider gebe es aber zu wenig Personal bei den Behörden, um die Anwendung der Gesetze flächendeckend zu überprüfen.

Kein Deutsch, keine Aufklärung
„Ein großes Problem ist die Sprachbarriere. Die meisten Fahrer sprechen kein Deutsch und viel Aufklärungsarbeit verpufft, wenn sie nicht in den Landessprachen angeboten wird“, erklärte Nadja Kluge. Gewerkschafter Robin Faber wirft einen Blick nach Belgien, wo der Gesetzgeber die Regelung getroffen hat, dass nur 20 Prozent der Aufträge in der Logistikbranche fremdvergeben werden dürfen. So könnten Unternehmen nicht so leicht die Verantwortung auf Subunternehmer abzuschieben. „Das bringt uns fairer Entlohnung und menschenwürdigen Arbeitszeiten und -bedingungen in der Paketbranche näher“, sagte Faber.

 

(Foto: Ulrich Gottwald/kda Bayern)

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