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Stadtrat Serdar Akin (Grüne) zu Besuch und Gespräch im Marcel-Callo-Haus

Am Vormittag des 14.06.2022 besuchte der Augsburger Politiker und Stadtrat Serdar Akin (Grüne) die KAB im Marcel-Callo-Haus. Das Gespräch in angenehmer Atmosphäre bei Kaffee und Butterbrezen war einerseits geprägt von kritischen Fragen zu den Arbeits- und Lebensbedingungen Augsburger Bürger und den politischen Antworten der Grünen Partei, andererseits von zahlreichen Übereinstimmungen in den politischen und moralischen Positionen zwischen den Gesprächsteilnehmern. Die KAB freut sich, in Serdar Akin einen Freund in der gemeinsamen Sache gefunden zu haben.

Neben dem zum Gespräch geladenen Stadtrat Serdar Akin nahmen als Vertreter der KAB am Gespräch teil: Stefan Hanft (Diözesansekretär), Manfred Hufert (stellv. Diözesanvorsitzender), Hans Gilg (Betriebsseelsorger), Johanna Kaffalik (Praktikantin und Theologiestudentin), Gerhard Wild (Kreisverbandsleitung KAB Augsburg Stadt und Land), Renate Hofner (Kreissekretärin Augsburg Stadt und Land) und Erwin Helmer (Betriebsseelsorger).

Bereits bei der gegenseitigen Vorstellung der Gesprächsteilnehmer brachte Erwin Helmer die Gemeinsamkeiten und Gegensätze in den politischen Positionen der KAB und der Grünen auf den Punkt. So würden zwar wesentliche Übereinstimmungen innerhalb des Politikfeldes der Umwelt- und Klimapolitik bestehen, die Bewahrung der Schöpfung stünde schließlich auf den Agenden beider Organisationen, allerdings so Erwin Helmer weiter: „Die Grünen brauchen ein wenig Nachhilfe in Fragen der Sozialpolitik, beim Einsatz für die Armen und bei Arbeitnehmerfragen. Hier gibt es vielmehr eine Form des Denkens von oben her, akademisch möchte ich fast sagen.“ Dass dieses Urteil nicht zu Gänze auf Serdar Akin zutrifft, der im Gespräch betonte in einer Gastarbeiterfamilie in Augsburg aufgewachsen zu sein, das versuchte der Stadtrat in der sich anschließenden konstruktiven Gesprächsrunde darzulegen.

Auf die Frage von Hans Gilg hin, der die unwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen von Amazon-Angestellten sowie deren Wohnverhältnisse speziell in Augsburg-Lechhausen schilderte, ob diese Zustände denn auch dem Stadtrat bekannt seien, erwiderte Serdar Akin, dass er als Mitarbeiter des Landtagsabgeordneten und Bürgerbeauftragen für Asyl und Migration Cemal Bozoğlu gut mit der Materie vertraut sei. Ausgehend von seinen alltagsnahen Erfahrungen wies er jedoch auch auf den Umstand hin, dass eine Anstellung bei Amazon für Geflüchtete mit prekärer Bleibeperspektive nicht selten „der rettende Anker“ sei, um mittels einer Beschäftigungsduldung nicht von restriktiven Abschiebemaßnahmen betroffen zu sein. Dennoch „sei es naiv zu denken, dass Amazon eine gemeinnützige Organisation sei die am Wohl der Menschheit interessiert ist, für die ist das ein knallhartes Business“. Für Serdar Akin ist hier der Gesetzgeber gefragt. Er schlug vor, dass Firmen auch zu Weiterbildungs- und Integrationsmaßnahmen verpflichtet werden sollten: „Wenn du jemanden für 12€ oder 13€ anstellst, dann musst du auch Perspektiven schaffen, um den sozialen Aufstieg zu ermöglichen.“ Dass aber auch Serdar Akin, wenn eine andere Beschaffungsmöglichkeit nicht vorhanden ist, schon mal ein Paket bei Amazon bestellt, das gestand der Politiker auf Nachfrage hin ehrlich ein.

Manfred Hufert äußerte sich im Anschluss kritisch zur Energiepolitik der Stadt Augsburg. Er warf der Oberbürgermeisterin Eva Weber eine gewisse Janusköpfigkeit vor, da sie einerseits die Bürgerschaft zum Energiesparen auffordert, andererseits weder sie noch die Stadt Augsburg langfristige Antworten auf die nicht erst seit dem Ukrainekrieg drängenden Fragen der Energiesicherheit und Klimarettung hätten. An Serdar Akin gewandt, Mitglied der swa Netze GmbH, fragte er, warum denn „die Grünen der Frau Weber nicht ein bisschen Schwung machen, beispielsweise den Bau einer Biogasanlage fordern oder den Ausbau der Fernwärme vorantreiben?“ Serdar Akin, der die Kritik grundsätzlich nachvollziehen konnte, gestand Schwierigkeiten mit Blick auf die Augsburger Energie- und Klimapolitik ein. Die Stadt habe sich ein sehr ambitioniertes CO2-Restbudget von 9,7 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 gesetzt und es werde viel versucht, um dies einzuhalten. Zum jetzigen Zeitpunkt sei aber bereits abzusehen, dass die Stadt dieses Ziel aller Voraussicht nach überschreiten und damit die selbstgesetzten CO2-Minderungsziele verfehlen wird. Den Vorwurf, die Stadt hätte damit von Beginn an eine reine Symbolpolitik betrieben, wollte Serdar Akin aber nicht unkommentiert im Raum stehen lassen. Mit vielen Einzelmaßnahmen und auch symbolischem Handeln versuche die Stadt derzeit ihr Bestes. So seien beispielsweise auch die von der Stadt verordneten Energiesparmaßnahmen im Zuge der aktuellen Energieverknappung bedeutsam, „um der Gesellschaft zu zeigen, dass die Stadt mit allen Maßnahmen versucht diese Energiekrise abzufedern“. Trotz des offensichtlichen persönlichen Engagements von Serdar Akin in der Sache wurde insgesamt ersichtlich, dass die Stadt Augsburg, auch unter Mitregierung der Grünen, noch viel tun und konsequent am Ball bleiben muss, um die angesetzten Ziele zu erreichen und adäquat der gegenwärtigen Energiekrise auf kommunaler Ebene entschlossen zu begegnen.[1]

Gerhard Wild berichtete dem Stadtrat Serdar Akin über den Augsburger Pflegestammtisch sowie die verschärfte Pflegelage in Augsburg. In der Hessing-Klinik war die Situation der Pflegenden bereits vor der Corona-Krise prekär, doch nun würden mangels Personals ganze Stationen wegbrechen. Doch der Personalmangel ist nicht alleine auf eine unzureichende Vergütung zurückzuführen: „Ich denke es ist wichtig auf die Pflegenden zuzugehen, zu fragen, wo drückt euch der Schuh.“ Denn der Personalmangel sei eben nicht nur eine Frage des Verdiensts, so Gerhard Wild, sondern auch der unzumutbaren Arbeitsbedingungen in der Branche. Einen nicht unbedeutenden Schuldanteil an den schwierigen Zuständen hätte letztlich auch die Leitung, die, getrieben von der Maxime der Gewinnorientierung, letztlich „nur Zahlen, Zahlen und nochmals Zahlen im Kopf hat“. Die von Serdar Akin in den Raum gestellte Frage, ob der Personalmangel denn durch die Arbeitsmigration zu lösen sei, verneinte Gerhard Wild. Diese Fachkräfte würden schließlich in der Konsequenz anderorts fehlen. Auch die Einführung einer 35-Stunden-Woche in der Pflege, ein Vorschlag den der Stadtrat ausdrücklich befürwortet und der auch der KAB nicht unbekannt ist, hält der Praktiker Gerhard Wild für verfehlt. Dies würde zum jetzigen Zeitpunkt die Situation nur verschärfen und das Kernproblem, die prekären Arbeitsbedingungen, nicht direkt angehen. Um die dargelegte Sachlage rund um die Hessing-Klinik besser bewerten zu können, bot Serdar Akin schließlich eine künftige Vertiefung des Gesprächs unter Beisein des gesundheitspolitischen Sprechers der Grünen im Stadtrat an.

Mit einem praxisnahen Anliegen trat Renate Hofner an den Grünen Stadtrat. So sei es ihr als Versicherungs- und Rentenberaterin der KAB respektive mehrerer ihrer Klientinnen in den letzten Monaten vorgekommen, dass sich die Ausstellung von Sterbeurkunden durch das städtische Standesamt nach einem Sterbefall verzögerte. Dies sei insbesondere problematisch, da ein Vorschussantrag auf die Witwen- oder Witwerrente innerhalb von 30 Tage nach Todesdatum durch die jeweiligen Hinterbliebenen zu erfolgen hat. Verstreicht diese Frist, so warten Betroffene in der Konsequenz einen längeren Zeitraum bis zur regulären Bewilligung ihrer Witwen- oder Witwerrente. Diese unverschuldete Warteperiode stellt nicht selten jedoch einen finanziellen Engpass für die anspruchsberechtigten Hinterbliebenen dar. Tatsächlich gewährte die der KAB angegliederte Christliche Arbeiterhilfe (CAH) aus diesem Grund einer betroffenen Person bereits ein Überbrückungsdarlehen. „Sowas muss einfach gewährleistet sein, dass die Sterbeurkunden wirklich zeitig rausgehen“, trug Renate Hofner daher energisch vor. Serdar Akin, dessen Mandat zur Kontrolle der städtischen Verwaltung verpflichtet, verstand sofort den Ernst der Lage. Er bot daher an, sich mit dem Anliegen zu befassen und Nachforschungen anzustellen. Diesem Versprechen kam er zwischenzeitlich nach. Er bestätigte die Vermutung, dass die Verzögerungen bei der Ausstellung von Sterbeurkunden auf personelle Engpässe beim Standesamt zurückzuführen waren, nun aber alle Anträge wieder in der regulären Zeit bearbeitet werden würden.

Stefan Hanft verschob im Anschluss die Themen- und Gesprächsebene auf die Bundespolitik. Seit einem Bundesverbandstag im Jahr 2007 setzt sich die KAB für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. In ihrem Grundsatzprogramm aus dem Jahre 2020 halten die Grünen nun ebenfalls fest, dass sich die Partei an der „Leitidee“ des bedingungslosen Grundeinkommens „orientieren“ würde. Ausgehend hiervon fragte Stefan Hanft, was genau mit diesen vagen Formulierungen gemeint sei. Serdar Akin erwiderte, dass er persönlich einem bedingungslosen Grundeinkommen positiv gegenüberstehe: „Weil jemand ein Mensch ist, sollte er das Recht haben menschenwürdig zu leben.“ Das gegenwärtige Hartz-IV-System sei „menschenunwürdig“. Doch diese grundsätzlich bejahende Position zum Grundeinkommen würde nicht von allen seinen Parteikollegen geteilt werden und die Studienlage sei ebenfalls schwierig zu bewerten. Große Fragezeichen bestünden auch bei der Frage der Finanzierung. Allerdings, so Serdar Akin, „seien die Grünen in Sachen Vermögenssteuer eindeutig, das könnte am Ende des Tages genutzt werden um vielleicht ein solches Modell zu finanzieren“. Sich eindeutig festlegen wollte Serdar Akin, ähnlich wie die Grünen in ihrem Grundsatzprogramm, sich letztendlich aber nicht. Damit war er im Kreis der Anwesenden jedoch auch nicht alleine.

Zum Ende des Gesprächs thematisierten Renate Hofner und Stefan Hanft ein echtes Kernanliegen der KAB: den Sonntagsschutz. Ausgehend von Serdar Akins konfessionellen Bekenntnisses zu einem liberalen Alevitentum wollten beide wissen, welche Bedeutung denn der freie Sonntag für den Stadtrat hat. Serdar Akin erklärte, dass es unter den alevitischen Glaubensanhängern einerseits eine gewisse historisch bedingte Nähe zur linkspolitischen Gruppierung in der Türkei, dem Herkunftsland der meisten Aleviten, gab. Dieser Umstand wirkt sich bis heute auf eine tendenzielle Verortung der Aleviten in Deutschland im linken politischen Spektrum aus. Andererseits bietet auch die alevitische Glaubensvorstellung erstrebenswerte Gesellschaftsmodelle oder besser gesagt utopische Idealvorstellung an, wie etwa „die Stadt des Einvernehmens“, in der es kein Geld gibt und in der ein jeder Bewohner und jede Bewohnerin nach seinen und ihren Bedürfnissen leben kann. Ähnlich wie das Christentum und die meisten anderen Religionen auch, bietet also auch das Alevitentum einen moralischen Wertekanon an, der sich mit Blick auf einen arbeitsfreien Tag interpretieren lässt. Nur, so ergänzt es Serdar Akin, „im Alevitentum ist der heilige Tag bzw. der heilige Tagesabschnitt der Donnerstagabend“. Allerdings zeigt sich Serdar Akin hier pragmatisch. Er sei „natürlich dafür, dass der Sonntag geschützt bleibt“. Und weiter: „Sollte der Sonntag zu einem siebten Werktag verkommen, dann gäbe es in den Familien keinen Tag mehr an dem alle frei haben. Dann wären wir keine Familien mehr, sondern nur noch Wohnungsgemeinschaften.“ Aus seiner persönlichen Erfahrung mit ehrenamtlichem Engagement in Vereinen wusste er zudem zu berichten, dass der Sonntag nicht selten überhaupt noch der einzige Tag ist, an dem beispielsweise ehrenamtliche Versammlungen stattfinden können: „Am Samstag klappt es schon meist nicht mehr, da die Menschen arbeiten müssen. Wenn wir den Vereinen den Sonntag nehmen würden, dann stelle ich die Frage, wie soll dann gemeinnützige Arbeit überhaupt noch klappen?“ Obwohl der freie Sonntag der christlichen Tradition entsprungen ist und andere Religionen ihre eigenen „heiligen“ Ruhetage haben, nehmen er und seine Partei hieran allerdings keinen Anstoß: „Den freien Sonntag sollten wir alle gemeinsam ungeachtet unserer religiösen Hintergründe nicht zur Disposition stellen.“

Der Diözesanverband der KAB Augsburg und alle Beteiligten bedanken sich recht herzlich bei dem Stadtrat Serdar Akin für das freundliche und konstruktive Gespräch und freuen sich in ihm einen Freund in der gemeinsamen Sache gefunden zu haben.

 

[1]Anmerkung: Kurz nach dem Interview hat der Stadtrat Augsburg in seiner Sitzung im Juli das "Blue City Klimaschutzprogramm" beschlossen, welches eine Reihe konkreter Maßnahmen enthält, mit denen die Stadt Augsburg die Klimaneutralität anvisiert.

von links: Hans Gilg, Gerhard Wild, Stefan Hanft, Renate Hofner und Serdar Akin

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